Einigung in langwieriger Tarifrunde – Angleichung der Ost-West-Einkommen spätestens im Jahr 2026

Die Löhne und Gehälter steigen in drei Stufen, außerdem vereinbarten beide Seiten eine Corona-Prämie. Auch das Streitthema einer Entschädigung für die Fahrt zur Baustelle ist gelöst.

Die rund 890.000 Beschäftigten der deutschen Bauwirtschaft bekommen künftig mehr Geld. Sie erhalten für die Monate Juli bis Oktober 2021 eine Corona-Prämie von 500 Euro im Westen und 220 Euro im Osten, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Zentralverband Deutsches Baugewerbe am frühen Freitagmorgen mitteilten.

Das Tarifpaket sieht für die Beschäftigten zudem Lohnerhöhungen in drei Schritten vor. Darauf einigten sich die Tarifpartner im Bauhauptgewerbe nach fünf Verhandlungs- und zwei Schlichtungsrunden unter Vermittlung des Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel. Der vergangene Tarifvertrag war im Juni ausgelaufen. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten im Westen Einmalzahlungen in Höhe von 400 Euro zum 1. April 2022 und 450 Euro zum 1. April 2023. Darüber hinaus wurde eine stufenweise Erhöhung der Ausbildungsvergütungen vereinbart. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 33 Monaten bis Ende März 2024.

Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach 5,3 Prozent mehr Geld für ein Jahr und einer Ost-West-Angleichung der Löhne und Gehälter in die Verhandlungen gegangen, die bereits im Mai begonnen hatten. Wie beide Seiten mitteilten, wird in dem Tarifvertrag nun festgehalten, dass im Jahr 2026 eine 100-prozentige Angleichung der West- und Ost-Einkommen sowie der Ausbildungsvergütungen erreicht sein muss. Jeder Betrieb im Tarifgebiet Ost kann jedoch per Haustarifvertrag auch früher einen Ost-West-Angleich für seine Beschäftigten festlegen.

Für die Fahrt zur Baustelle gibt es eine finanzielle Entschädigung

Außerdem forderte die IG BAU eine finanzielle Entschädigung für die Anfahrtswege der Beschäftigten. Nach Angaben der Gewerkschaft sind Bauarbeiter deutschlandweit im Durchschnitt mehr als 60 Kilometer zu ihrer Baustelle unterwegs. Die Wegezeiten waren der Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen. Die Tarifrunde stand mehrfach kurz vor dem Scheitern, die IG BAU hatte für den Fall eines Misserfolgs der Schlichtung mit den ersten Flächenstreiks in der Bauwirtschaft seit 2002 gedroht.

In diesem Punkt hat sich die Arbeitnehmerseite letztendlich durchgesetzt. Laut Gewerkschaft soll es für bis zu 50 Kilometer vom 1. Januar 2023 an sechs Euro geben, ein Jahr später sieben Euro. Bei 51 bis 75 Kilometer gibt es acht Euro, 2024 dann neun Euro. Bei mehr als 75 Kilometer Anfahrt gibt es elf respektive neun Euro am Tag. Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht täglich von ihrem Arbeitsplatz nach Hause fahren, wurde ein Ausgleich vereinbart. Die Arbeitgeber hatten sich lange gegen eine Wegezeitentschädigung gesperrt und betont, diese könne nicht Bestandteil der Entgelttarifverträge sein. Die vereinbarten Regelungen werden deshalb in den Bundesrahmentarifvertrag aufgenommen und mit einem Sonderkündigungsrecht – frühestens Anfang 2026 – versehen.

Die Bundestarifkommission der IG BAU muss in den nächsten Tagen endgültig über die Annahme des ausgehandelten Papiers entscheiden. Auch die Gremien der Arbeitgeberverbände müssen sich damit entsprechend befassen. Der IG-BAU-Vorsitzende Robert Feiger sagte: „Unsere Vorstellungen für eine gerechtere Entlohnung der Beschäftigten lagen durchaus höher, aber mit diesem Kompromiss können wir leben.“ Mithilfe des Schlichters sei „in letzter Minute ein Streik“ vorerst abgewendet worden. Nun sei der Weg frei für die immensen Aufgaben, die anstünden: Rund 400.000 Wohnungen müssten pro Jahr in Deutschland entstehen, die Auftragsbücher der Bauunternehmen seien voll.

Bauwirtschaft leidet unter Material- und Fachkräftemangel

Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber und Vizepräsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Uwe Nostitz, sagte: „Wir hatten langwierige und schwierige Verhandlungen mit einer komplizierten und zum Teil auch neuen Materie.“ Bauindustrie-Vizepräsidentin Jutta Beeke ergänzte: „Es ist uns gelungen, ein umfangreiches Paket zu verhandeln und zu einem Ergebnis zu bringen, welches mit einer langen Laufzeit für Planungssicherheit in den Unternehmen sorgen kann.“

Die Bauwirtschaft erlebt derzeit einen Boom, der auch durch die Corona-Pandemie kaum getrübt wurde, aber derzeit durch Materialknappheit etwas abgeschwächt wird. So lag der Umsatz im Bauhauptgewerbe im Juli nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 4,9 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Von Januar bis Juli stand unter dem Strich aber ein leichtes Minus von einem Prozent.

Die Zahl der Beschäftigten legte in den ersten sieben Monaten um 1,7 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zu. Viele Baubetriebe klagen über Personalmangel. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts hatte im September jeder dritte Hochbau-Betrieb Probleme, Fachkräfte zu finden. Im Tiefbau klagten sogar 38 Prozent über einen Mangel an geeigneten Bewerbern.

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Quelle: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/bauwirtschaft-einigung-in-langwieriger-tarifrunde-angleichung-der-ost-west-einkommen-spaetestens-im-jahr-2026/27708104.html

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